Stolz führen Sie eine neue Anwendung in Ihrem Unternehmen ein. Sie übertrifft die bisherige in fast allen Aspekten, doch die Begeisterung Ihrer Mitarbeiter bleibt aus. Viele wünschen sich das alte System zurück. Ein Szenario, das in erster Linie vor allem ärgerlich ist: Sie haben nicht nur mit dem Unmut Ihrer Belegschaft zu kämpfen, am Ende wird die Gegenwehr womöglich so groß, dass Sie zur alten Version zurückkehren müssen. All die Mühen und finanziellen Aufwände schlussendlich umsonst?

Aber wie kommt es dazu und wie können die Anforderungen der Benutzer besser berücksichtigt werden?

Nutzerzentriertes Design

Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich das „User Experience (UX) Design“. Häufig kennt man das Konzept unter dem Begriff „Usability“, also der „Benutzbarkeit“ einer Anwendung. Dabei handelt es sich allerdings nur um einen Teilaspekt der User Experience, die sich breiter gefasst, neben der eigentlichen Benutzung, generell auch mit dem Nutzererlebnis rund um die Interaktion mit einem Produkt beschäftigt. Das Herzstück ist ein menschzentrierter Gestaltungsprozess. Er beschäftigt sich aus der Perspektive des Benutzers iterativ mit dem Verstehen des Nutzungskontexts, der Spezifikation von Nutzungsanforderungen, dem Entwickeln von Gestaltungslösungen sowie deren Evaluation. Je nach Ergebnis kann dieser Prozess beliebig oft von verschiedenen Stationen aus erneut durchlaufen werden, bis die Nutzungsanforderungen erfüllt sind. Das garantiert die bestmögliche Zufriedenheit der Benutzer mit dem neuentwickelten System.

Der UX Design-Prozess bestehend aus den Phasen Zuhören, Analyse, Design und Testen
Der UX Design-Prozess

Der Prozess ist wandelbar und kann zu unterschiedlichen Zeiten während der Entwicklung eingesetzt werden. Werkzeuge daraus können helfen, Probleme zu identifizieren und Lösungsansätze zu erarbeiten. So lässt sich auch aus dem oben beschrieben Szenario ein Ausweg finden, wie es vor kurzem bei einem unserer Kunden der Fall war.

Ein praktischer Anwendungsfall

Media Solutions betreut einen internationalen Konzern bei der Migration der internen Serviceprozesse in die Cloud-Plattform ServiceNow. Nach der Umstellung des Formulars zur Besucheranmeldung häuften sich jedoch die Klagen der Mitarbeiter, die sich mit dem neuen System nicht mehr zurechtfanden.

Zwar ist eine gewisse Gegenwehr bei der Einführung neuer IT-Systeme in Unternehmen nichts Ungewöhnliches, dennoch entwickelte sich bei unserem Kunden die Sorge, dass mehr hinter der Kritik der Mitarbeiter stecken könnte.

Im Hinblick auf eine zukünftig geplante Ausweitung der ServiceNow-Plattform auf die internationalen Zweige des Konzerns, trat unser Kunde mit dem Wunsch an uns heran, zunächst die Akzeptanz der Plattform beim bisherigen Benutzerkreis zu erhöhen. Besonders das erwähnte Formular zur Besucheranmeldung stand dabei im Mittelpunkt. Unsere Aufgabe war herauszufinden, was den Mitarbeitern beim neuen Besucherantrag Schwierigkeiten bereitet, um in einem nächsten Schritt gezielt Maßnahmen zur Optimierung treffen zu können.

Die Umsetzung

Unsere UX-Experten einigten sich mit unserem Kunden auf eine Nutzerbefragung, die in Einzelgesprächen mit den betroffenen Mitarbeitern durchgeführt wurde. Für das zu untersuchende Formular konnten im Vorfeld bereits zwei Benutzergruppen identifiziert werden:

  1. Gelegenheitsnutzer: Diese verwenden die Besucheranmeldung nur selten.
  2. Power-User: Sie arbeiten regelmäßig mit dem Formular und bearbeiten dabei häufig auch verschiedene Besucherkonstellationen.

Nachdem unsere UX-Experten einen Leitfaden für die Interviews entworfen hatten, führten sie die Einzelgespräche mit jeweils fünf Vertretern beider Gruppen durch. Da dies auch remote über eine Skype-Session möglich war, konnten die Termine sehr flexibel eingeplant werden. Dabei wurden die Nutzer gebeten uns zu zeigen, wie sie eine Besucheranmeldung im aktuellen System durchführen. Das begann bereits mit dem Aufruf des Formulars in der Anwendung. So konnten unsere Mitarbeiter untersuchen, ob Probleme schon mit der Auffindbarkeit des Anmeldeformulars auftraten. Unsere Kollegen baten die Teilnehmer während der Untersuchung, jeden ihrer Schritte zu kommentieren und dabei eventuell auftretende Schwierigkeiten zu schildern. Diese Kommentare wurden zusammen mit den Beobachtungen notiert und gesammelt. Viele der Punkte aus dem Leitfaden konnten so bereits während dieser Demonstration beantwortet werden. In einer abschließenden Fragerunde wurde den Nutzern die Möglichkeit zu weiteren Anmerkungen eingeräumt. Die meisten Teilnehmer äußerten im Laufe des Gesprächs auch bereits selbstständig Verbesserungsvorschläge, die gesondert gesammelt wurden. Nach Abschluss des Termins erhielten die Teilnehmer noch einen standardisierten Fragebogen, in dem um eine Einschätzung zum aktuellen System gebeten wurde. Nach Abschluss aller Termine wurden die Ergebnisse zusammengetragen, die Erkenntnisse priorisiert und daraus erste Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die unserem Kunden präsentiertet wurden.

Die Ergebnisse

Bereits mit einer überschaubaren Menge an Befragungsteilnehmern konnten wir eine große Zahl der häufigsten Beschwerden am Formular identifizieren. Viele Probleme lassen sich mit geringstem Aufwand verbessern.

Bei der Gruppe der „Power-User“ handelt es sich um Personen, die das Formular zum einen sehr häufig, zum anderen auch mit anderen Anforderungen nutzen. So wurden für sie teilweise andere Felder benötigt als in der derzeitigen Fassung vorgesehen waren. Zwar haben sich die meisten dieser Nutzer inzwischen durch den häufigen Gebrauch an die Limitationen des Antrags gewöhnt, dennoch konnten wir durch unsere Beobachtungen und Fragen auch hier ein gutes Bild über die Startschwierigkeiten bei der Verwendung gewinnen.

Für die Gruppe der Gelegenheitsnutzer zeigte sich, dass die Funktion einiger Felder nicht klar war. Teilweise lag dies an mangelnder Beschriftung, teilweise am verwendeten technischen Wortschatz, der für die Mitarbeiter aus anderen Abteilungen nicht nachvollziehbar war. Hier zeigt sich besonders die Notwendigkeit der Fokussierung auf die Anwender eines Systems im UX Design: In der Regel handelt es sich bei den Nutzern einer Anwendung um eine andere Zielgruppe als bei den Entwicklern. Diese haben so auch andere Anforderungen. Welche das im jeweiligen Anwendungsfall genau sind, kann am einfachsten im direkten Kontakt in Erfahrung gebracht werden.

Die Befürchtung, dass sich zu wenige Mitarbeiter finden, die an solch einer Befragung überhaupt teilnehmen möchten, hat sich in unserer Arbeit übrigens nicht bestätigt. Tatsächlich haben wir viele positive Rückmeldungen der Teilnehmer erhalten, die sich darüber freuten, dass ihre Sorgen gehört und gezielt ernst genommen werden.

UX als Chance

In diesem Projekt hat sich gezeigt, dass sich mit dem Einbezug der Endnutzer bereits mit geringem Aufwand und kleinen Änderungen die Akzeptanz eines Systems erheblich verbessern lässt. Die Zufriedenheit unseres Kunden spricht für sich: Er plant auch in Zukunft einen benutzerorientierten Ansatz konsequent zu nutzen.

Sollten auch Sie die Anwendbarkeit Ihrer Produkte verbessern wollen, oder benötigen Sie Unterstützung bei Ihren eigenen Projekten, dann melden Sie sich bei uns!